2.11.2014, München - Zürich, eine Weltreise

Die letzte Novemberwoche habe ich beruflich in München verbracht. Beim Heraussuchen einer Zugverbindung beschlich mich das Gefühl, die Fahrplansuche der SBB hätte ein Problem. Verbindungen per Bus, Verbindungen mit einer Schifffahrt auf dem Bodensee, Verbindungen mit x-mal Umsteigen, was ist denn da los? Der Versuch, zum Beispiel mittels via von Sankt Gallen und Lindau die gewünschte Verbindung zu erzwingen--es gab doch immer den direkten Eurocity Zürich - München--schlugen alle fehl. Entweder wurde man per Zug nach Zürich zurück geschickt und dann per Bus nach München ZOB ("Zentraler Omnibus Bahnhof"), oder es ging nach Romanshorn, dann per Schiff nach Friedrichshafen, und dann weiter per DB-Regio durch's schöne Oberschwaben, oder man durfte unter ähnlich vielem Umsteigen Rheinfall und Hohentwiel bewundern.

In kurzer Recherche fand ich heraus, Herbst 2013 war die besagte Busverbindung als "Ergänzung des Angebotes" eingeführt worden. Die Ausbau-Versprechen der über Jahrzehnte vernachlässigten Strecke von Lindau ins Allgäu würden absehbar nicht eingehalten werden können. Die deutsche Seite kommt ihrem Anteil einmal mehr nicht nach, ein Grund sei die absehbare Kostensteigerung durch den gestiegenen Kupfer-Preis (ob die Kostensteigerungen an einer anderen Süddeutschen Bahn-Grossbaustelle wohl an steigenden Betonpreisen liegen?) Und so bleibt es weiterhin bei über vier Stunden Fahrtzeit für eine Strecke von gerade einmal 300 Kilometern. Die fertiggestellte Autobahn Lindau/Bregenz - München ermöglicht privaten Bus-Unternehmen eine kürzere Fahrtzeit, da fürchtete man offenbar, das Potential der "Verbindung mit grossem Potential im Fahrgastaufkommen" ganz zu verspielen.

War es nun ein Fehler in den Suchmaschinen oder in den Fahrplandaten? War es eine zeitweilige Streckensperrung? Mittlerweile (und nach einem Brief an den Kundendienst der SBB) werden die EC-Verbindungen wieder angezeigt. Und das ist auch gut so, denn die Fahrt ohne EC stellte sich als noch beschwerlicher heraus als befürchtet. Die Hinfahrt fand mit einem grösseren Umweg nach Norden auf einer ganz anderen Strecke statt. Auf der Rückfahrt kam es dann wie es kommen musste, aufgrund der eingleisigen Strecke konnte der Dieseltriebwagen Ulm - Schaffhausen den Fahrplan um ein paar Minuten nicht einhalten, letztendlicher Spielstand 1:14 DB gegen SBB nach einer Stunde Verlängerung. Verkehrte Welt? Es lag nicht etwa an zu vielen oberschwäbischen Milchkannen, nein, die wurden recht pünktlich bedient. Aber den SBB sind schlicht die Pünktlichkeit ihrer Züge wichtiger (hier 15 mal wichtiger) als die pünktliche Ankunft der darin beförderten Kunden.

Wie es dazu kam? Nachdem man die Fahrgäste in Schaffhausen wegen noch nicht mal einer Handvoll Minuten auf dem Perron stehen gelassen hatte, durften diese zunächst raten, ob nun der Regionalzug nach Winterthur sofort oder ein Schnellzug 20 Minuten später die bessere Möglichkeit sei, über Zürich hinaus nach Westen zu kommen. Beide Wege führten schliesslich dort auf den IC St.Gallen - Genf, der ursprünglich anvisierte ICN über die Jurafusslinie war da bereits in der Gegend von Aarau. Wegen Bauarbeiten auf der Schnellstrecke ging es dann über Burgdorf, nochmal knapp zehn Minuten Verspätung in Bern. Und dann blieb der Zug dort 20 Minuten stehen, um den IR Luzern - Genf zu ersetzen, wegen der Bauarbeiten hätte der Umlauf sonst angeblich nicht mehr funktioniert.

Fazit: weil man den Kunden die zwei oder drei Minuten in Schaffhausen nicht zugestehen konnte, kamen alle Fahrgäste mit Ziel jenseits des Röstigrabens zwangsläufig eine Stunde zu spät an diesem an. Eine Glanzleistung kann man das nicht gerade nennen, zumal schliesslich die Verzögerungen im Netz der SBB geplant und den Verantwortlichen bekannt waren. Solcherart "Pech gehabt" kennt man sonst eher vom Bahnbetrieb aus dem "grossen Kanton" im Norden.

Zum Spass habe ich mir mal die Fahrplandaten von 1914 angesehen. Man muss sagen, im Vergleich zu den knapp acht Stunden München - Lausanne in 2014 kommen die Dampfzüge von anno dazumal gar nicht schlecht weg. Heute kommt man mit anderen Verkehrsmitteln in derselben Zeit bis Boston und Chicago. Eines der beiden beteiligten Unternehmen nannte sich einst "Unternehmen Zukunft". Weil sinnvolle Ausbaumassnahmen auf die Woche mit den drei Donnerstagen verschoben werden?