2.10.2020, vier Pannen von Genf nach Lausanne

Der Tag war schon ereignisreich verlaufen mit einer Labor-Überschwemmung, ausgelöst durch einen Feuerlöscher, der auf den Auslöser der Chemie-Dusche gefallen war. Das Wartungspersonal hatte beim Aufhängen offenbar nicht aufgepasst. Die Platzierung des Duschen-Auslösers musste in Kenntnis von Murphy's Gesetz irgendwann zu diesem Unfall führen, und das in einem Labor, in dem schon seit Jahrzehnten keine Chemie mehr betrieben wird. Aber das sollte noch nicht alles gewesen sein.

Nach Feierabend am Bahnhof angekommen begrüsste mich die Anzeige, dass der von mir anvisierte Intercity in Richtung Zürich wegen einer Fahrleitungsstörung im Raum Bern ausfalle. Den als Alternative angebotenen Regionalexpress nach St Maurice wollte ich nicht nehmen, da dieser sowieso schon voll genug ist am Freitag Nachmittag. Und nun auch noch die ganze "Besatzung" eines IC? Nein Danke! Also noch 10 Minuten länger auf den IR nach Luzern warten. Der hat sogar noch ein Verstärkungsmodul mit drei Wagen am Schluss. In Nyon stiegen dann ungewöhnlich viele Personen zu, und es gab eine Ansage, dass ausserordentlich in Gland und Rolle gehalten werde. Also war wohl noch etwas anderes schief gelaufen, denn der ausgefallene IR hätte ja dort nicht gehalten.

Und tatsächlich stand in Rolle auf dem Gegengleis der Rettungszug mit einem Kiss-Doppelstöcker am Haken. Nur warum ging es jetzt bei uns nicht weiter? Ein Signalhalt wegen dem blockierten Zug konnte es nicht sein, denn wer hätte uns denn überholen oder kreuzen sollen, wo beide verfügbaren Gleise belegt waren? Die Aufklärung kam in Form von einer Durchsage, wir hätten eine Bremsstörung und könnten nicht weiterfahren. Nach zwei Überholungen--der LRZ mit dem Kiss am Haken hatte sich mittlerweile von dannen gemacht--durften wir in den nachfolgenden Regionalexpress umsteigen. Weiter ging es trotzdem nicht, denn nun hatte dieser Zug eine Türstörung.

Woran liegt's?

Zunächst einmal ist des dem SBB Personal vor Ort zu verdanken, dass es trotz vier (!) voneinander unabhängigen Störungen nur zu einer guten Stunde Verspätung kam. Bravo, tolle Leistung! Aber dann fragt man sich schon--es war immerhin der dritte Zugsausfall diese Woche, früher gab es einen oder höchstens zwei im Semester--was da los ist. Sollte da nicht nur beim Personal an falscher Stelle gespart worden sein? In einer bekannten Stadt im "grossen Kanton" musste vor einem guten Jahrzehnt ein Drittel der S-Bahn Flotte vom Eisenbahn-Bundesamt stillgelegt werden, weil wegen gravierenden Wartungsmängeln die Sicherheit der Bremsen nicht mehr gewährleistet war. Das Management hatte zuvor etliche Werkstätten geschlossen und das zugehörige Personal entlassen. Der damalige Geschäftsführer der Holding dieses Betriebes ist hier zu Lande kein Unbekannter, hat man ihn doch--nach diesem Vorfall--zum Geschäftsführer der Staatsbahnen gemacht.

Zufall? Angesichts des vielen technischen Schnick-Schnacks, den man im vergangenen Jahrzehnt auf den Bahnhöfen und in den Zügen hat auftauchen und teilweise auch schon wieder verschwinden sehen, stelle ich mir schon die Frage, wieviel "Kernkompetenz" hier wirklich am walten war. Wir dürfen froh sein, dass es "unten" immer noch so viele kompetente und engagierte Eisenbahner gibt, dass der Laden dennoch und immer noch und gerade bei Pannen hervorragend läuft.